Page 21 - Ditisit-November 2022
P. 21
WWW.DITISIT.DE Licht aus! Spot an! Ausgabe 25 21
ERINNERUNGEN AN EIN KULTFORMAT
VOR 40 JAHREN SCHLOSS DIE ZDF-
“DISCO“ IHRE PFORTEN
Was der MTV-Ära den Weg ebnete? - Von technischen Neuerungen abgesehen, waren das Fernsehformate wie „disco“. Vor 40
Jahren, am 22. November 1982, wurde die letzte Sendung ausgestrahlt - das Ende einer immerhin elfjährigen Hitgeschichte. Anzug,
Pilzfrisur, ungelenke Körperhaltung: Ilja Richter war mit seiner Moderation und seinen Sketchen das ganz und gar außergewöhnliche
Element einer ansonsten ziemlich konventionell gestrickten Musiksendung, die dem Publikum deutsche und internationale Stars
näher denn je brachte.
Vor genau 40 Jahren, am 22. sich die politisch überkorrekten tual. Und Fernsehkult, der mit
November 1982, wurde die letz- Formate von Heck, Kulenkampff, den nicht minder berühmten
te „disco“-Sendung ausgestrahlt Carrell und Co. wie Trutzburgen Worten: „Licht aus!“ (Richter)
- ein guter Grund, um an diese der deutschen Bürgerlichkeit „Womm!“ (Publikum) „Spot an!“
einmalige, immerhin elf Jahre gegen wildes Gezappel, verzerr- (Richter) „Jaaaa!“ (alle) seine
währende Hitgeschichte zu er- te Gitarren, Afro-Look und wüste immer wiederkehrende Fort-
innern. Ein anderer: Ilja Richter, Sexattacken aus den Überseh- setzung nahm.
der Mann, der dieses Kapitel Diskotheken behaupten. Im Der smarte Scheitelträger mit
Fernsehgeschichte prägte, voll- Fernsehen der wilden Siebzi- dem nach ewigen Stimmbruch
endet am 24. November sein 70. ger regierte die pure Biederkeit. klingenden Organ hatte sie alle
Lebensjahr. Doch dann kam eines Samstag- - von ABBA bis Status Quo, von
Bernd Clüver bis Peter Maffay,
von Suzi Quatro bis Gary Glitter,
und wer gerade nicht kommen
konnte, aber trotzdem hitver-
dächtig war, wurde mit einem
Video-Einspieler gefeiert.
Damals, in Zeiten in denen von
MTV noch nicht zu träumen war,
ver schwammen in der „disco“
am frühen Samstagabend erst- Zweireiher, Krawatte, weißes Hemd:
mals die Grenzen zwischen live, Ila Richter prägte „disco“, die erfolg-
reichste Musiksendung der 70er-Jah-
Playback und Videoclip - und re, auf seine Weise.
zwischen den Genres: ob Folk, Foto: © ZDF / Renate Schäfer
Funk, Hard Rock oder Schla- Nastassja Kinski, Inge Meysel,
ger, ob „Morning Has Broken“ Harald Juhnke und Dieter Hal-
oder „Ententanz“ - in der „disco“ lervorden mit von der Partie...
kam, aus heutiger Sicht krude Die „musikalische Speisekarte“,
zusammengemischt, alles zu- so Richter, wurde von der Re-
sammen - jeder Auftritt unter- daktion festgelegt - also nahm
legt von der Autogrammadresse er sich auf seine Weise ein paar
eines Künstlers... andere kleine Freiheiten - „in
Fernsehkult: Ilja Richter war mit seiner „disco“ in den 70er-Jahren erfolgreich. Der Clou waren jedoch zwei den ach so lustigen 70ern“ gar
Foto: © ZDF / Erich Windprechtiger andere Dinge: Die Künst- kein leichtes Unterfangen, wie
Was damals vor sich ging - es abends, es war der 13. Februar ler standen (oder saßen) bei er sagte: Das ZDF habe damals
wäre heute undenkbar, sagen 1971, ausgerechnet ein auf den ihren Auftritten immer mitten zahlreiche „goldene Regeln“ der
die einen. Andere behaupten ersten Blick besonders steif wir- unter den Zuschauern im Stu- political correctness vorgege-
unermüdlich, dass auch solch kender junger Mann mit Anzug dio - nirgendwo kam die Kotelet- ben - vor allem immer schön
ein Format, eine Musikshow, die und Krawatte daher und rief: ten- und Schlaghosenfraktion keusch nach außen geben!
sich über alle Genregrenzen in „Einen wunderschönen guten ihren Idolen näher, keine Musik- Die Folge: Nebenbei avancierte
legerer Ignoranz hinwegsetzt, Abend, meine Damen und Her- sendung funktionierte direkter. der spindeldünne Anzugträger
heute wieder seine Berechti- ren!“ Um sich mit einem für da- Und dann waren da natürlich - „ein 20-Jähriger so ganz ohne
gung hätte. malige Verhältnisse provokativ die Sketche. Ilja Richter, am Damenbegleitung“ - zum Lieb-
Endlich: Die Jugend hatte ein jugendlichen „Hallo Freunde!“ 24. November 1952 in Berlin- ling der Schwulenszene - ohne
Format, die Platten- aufs Schelmischste selbst zu Karlshorst geboren, verstand schwul zu sein.
industrie eine Plattform kontern. Das bunt ge- sich seit jeher mehr als Schau- Ilja Richters 45-minütige „disco“
de
de
r
r
a
ls
M
M
o
o
a
.
r
.
I
I
t
t
o
r
o
ls
e
e
l
e
l
i
u
m
p
i
p
n
n
n
a
a
n
r
e
r
de
de
n
-
m
-
-
a
a
m
m
3
3
t 1
t 1
3
3
3
3
7
7
9
9
1
1
7
1
l vo
l vo
a
l vo
n 1
9
n 1
n 1
t 1
f i
n
f i
f i
s
s
n
n
i
i
n
l l l
e
e
i
e
a
a
s
s
m
m
a
m
g
g
s
g
e
s
e
e
mischte Studiopublikum
u
S
mis
b
op
h
u
di
e
Mochte draußen, in der wei- mis c c h t t e S t t u di op u b li li k k u m s s spieler denn als Moderator. In lief insgesamt 133-mal von 1971
c
n B
s s
c
u
s
u
9
s
i
i
r
i
r
i
s s
h
8
8
h
9
1
1
k k
e a
e a
t
t
b b
r
i
e
r
s
l
s
l
d
l
i
l
d
e
k
i
n
k
n
i
i
i
e
n
b
t
n
t
a
e
d
b
e
d
e
r
2 ü
n ä
2 ü
-
-
n B
m
e
m
e
den durchaus aufwendig
e
ten Welt, die Love-Generation krakeelte aus seinen ät- - - d e n d u r c h au s au f w e nd i g bis 1982 über den Bildschirm - in
e
e
n ä
a
e
r
en
n
n
e
J
-
gr
ten
s
e
-
h
gr
d
a
b
en
d
i
k
k
-
h
i
i
i
m
e
c
c
ll
noch so sehr dem Rock, dem zend-grellen Nicki-Rollis hi n ge s t e l l t e n K u lis s e n d d en b e s ten J a h r r en s a h en m e h r r
i
o
o
ll
R
R
-
i
s
s
a
e
e
h
n
n
den besten Jahren sahen mehr
z z
e
ell
ell
s
en
N
hingestellten Kulissen
N
n
he
und Batikshirts begeistert
c
M
e
u
n
z
n
Discosound und den bewusst- u u n n d B a t t i i k k shi r r t t s s b e ge is t t e r r t t wa r en u n t er a n d er em a a ls 2 5 Mi l l l l io ne n M e n s s c he n z u . .
a
ge
2
Mi
5
ls
als 25 Millionen Menschen zu.
waren unter anderem
b
e
shi
B
e
io
d
ne
is
o
K
u
u
T
“
k
ell
r
ja
r
„
i
! E
! E
n Ri
n Ri
i
k
c
ü
ü
seinserweiternden Substan- „Hallo Ilja!“ zurück! Ein Ri- - - „Kojak“ Telly Savallas, (ts)
k
c
H
H
l
j
a
,
j
a
l
l
l
l
l
a
a
o I
o I
s
a
a
“ z
“ z
v
„
!
„
!
lla
S
y
(ts)
zen frönen - dem deutschen
Showfernsehen der 70er-Jah-
re war‘s einerlei. Die Zielgruppe
war noch nicht erfunden, und ein
Wort wie „jugendaffin“ gab es
nicht. Wenn junge „Bravo“-Le-
ser fernsehen wollten, taten sie
dies im trauten Einvernehmen
mit den Eltern, und so konnten