Page 8 - Ditisit-März-2024
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8 Ausgabe 41 Dit is’ ne starke Serie WWW.DITISIT.DE
„IRGENDJEMAND AM SET HAT IMMER GEWEINT“
KATJA RIEMANN IM INTERVIEW ÜBER
SUIZID-SERIE „RESET“
In der starken Zeitreiseserie „RESET - Wie weit willst du gehen?“ (ZDF-Mediathek, über 3,19 Mio. Views seit 7. März) spielt Katja Rie-
mann eine Mutter, die im Vorfeld der Tat den Suizid ihrer 15-jährigen Tochter verhindern will. Doch würde man tatsächlich die eigene
Vergangenheit ändern wollen - und was würde man dabei verlieren? Die deutsche Adaption einer frankokanadischen Serienidee
hätte durchaus in die Hose gehen können. Die deutsche Variante der Erzählung, für die das ZDF drei Primetime-Abende freiräumte,
erweist sich jedoch als hochemotionales, kluges Gedankenspiel über die wichtigen Dinge des Lebens.
zen. Vielleicht lege ich mir mit login, diese sollte besser anders
der Zeitreise auch ein Ei ins Nest, formuliert werden. Es gibt immer
aber erst mal fände ich das ziem- mehr junge Menschen, die psy-
lich interessant. chische Probleme haben, die
» Dinge in der Vergangenheit selbstzerstörerisch denken und
ändern zu können, hieße auch, handeln. Die Zahlen und mein
dass man etwas in der Gegen- persönliches Umfeld sprechen
wart verlieren würde... für einen klaren, traurigen Trend.
Katja Riemann: Das ist rich- Ich kenne tatsächlich viele Leute,
tig. Meine Figur gibt per Zeitrei- die für ihre Kinder keinen Thera-
se ihren Beruf und die Karriere pieplatz bekommen, weil der Be-
auf, um sich um ihre Tochter zu darf das Angebot derzeit deutlich
kümmern, die sich später um- übertrifft. Hier müsste dringend
bringt oder sich umgebracht hätte. etwas passieren!
Trotzdem zeigt die Serie, dass » Haben Sie eine Erklärung
auch dieser Weg nicht so ein- dafür?
fach wäre. Sind wir gute Eltern, Katja Riemann: Es wäre anma-
wenn wir unsere Träume und Lei- ßend, wenn ich das behaupten
denschaften aufgeben, um uns würde - denn ich bin heute nicht
voll um die Kinder zu kümmern? mehr jung. Ich rede mit meiner
Sind wir dann wirklich bessere Tochter, die aber schon 30 ist,
Eltern? Oder gibt es auch Dinge, öfter über das Thema. Sie sagt,
© IMAGO / Future Image
Katja Riemann bei der Plot die zwangsläufig passieren, die dass sie froh ist, ein bisschen
Point Berlinale Party 2024 sich gar nicht verhindern lassen? älter zu sein und das verpasst
im Weekend Club. Berlin,
18.02.2024 » Sie wollen auf die philosophi- zu haben, was heute normal ist.
sche Frage hinaus, ob manche Als sie Teenagerin war, gab es
Doch im Laufe Dinge vorbestimmt sind? Dass nur „schülerVZ“. Dann kamen
der Zeit haben immer gewisse Dinge passieren - egal, Facebook und all die anderen
mehr Personen in der Crew wie man sich verhält? Sozialen Netzwerke, die heute
Im Interview spricht Katja von der Idee Zeitreise Abstand Katja Riemann: Für mich geht unser Miteinander bestimmen.
Riemann, 60, über den Blick genommen. es vor allem um Achtsamkeit. Von meiner Tochter gibt es nur
auf die eigene Vergangenheit, » Warum, glauben Sie, Wenn man sich fragt: Ist eine ein paar Papierfotos vor dem
über Lasten, die auf der heuti- war das so? Depression vorbestimmt oder zwölften Lebensjahr. Erst da-
gen Jugend liegen, und sie er- Katja Riemann: Die Konse- ließe sie sich verhindern, finde nach kam die digitale Bilderflut.
klärt, warum sie im Gegensatz quenzen des Gedankenspiels ich in manchen Biografien keine Heute hat man schon die ers-
zu den meisten anderen, die an Zeitreise entfalten sich im Laufe klare Antwort darauf. Das nur als ten 1.000 Fotos von seinem Kind
der Serie beteiligt waren, immer der Serie immer mehr - und das Beispiel für viele andere, ähnliche gemacht, wenn es erst wenige
noch durch die Zeit reisen würde. eben nicht nur mit positiven Kon- Fragen. Was unsere Serie aber Wochen alt ist.
» Sie haben das Zeitreisen wäh- sequenzen. Es ist eben ein Ein- schafft, ist ein Bewusstsein dafür, » Also war früher alles
rend der Dreharbeiten zur Serie griff ins Schicksal. Doch wenn dass es wichtig ist, uns um uns entspannter?
sicher im Team diskutiert. Wie Sie mich fragen: Ich würde wei- selbst und unsere Mitmenschen Katja Riemann: Leid, Druck
war dort die Meinung? Würden terhin reisen. zu kümmern. Irgendwann könnte und Unglück gab es zu jeder
das viele machen, um ihr es nämlich zu spät sein. Zeit. Mir fällt nur auf, dass junge
früheres Leben zu ändern? „GIBT ES AUCH Leute heute mit viel Material klar-
Katja Riemann: Ja, da wurde DINGE, DIE „ICH WAR SELBST kommen müssen, das irgend-
häufig drüber gesprochen. Wir ZWANGSLÄUFIG MOBBING-OPFER“ wie verdaut werden will. Es gibt
haben ja fast vier Monate ge- PASSIEREN?“ so viele Reize, die direkt zu uns
dreht. Darunter waren sechs oder » Eine Psychologin hat die nach Hause kommen. Ich war
sieben Wochen, die wir in einem » Um was genau zu verändern? Dreharbeiten begleitet. Hatten selbst Mobbing-Opfer zu einem
Haus, dem Wohnort der Familie, Katja Riemann: Konkret kann Sie Angst bei einer Serie, die den Zeitpunkt, als es noch keinen
an einem Ort verbrachten. Es ich Ihnen das leider nicht erzäh- Suizid einer Jugendlichen the- Namen dafür gab. Das ging bis
gab also viel Zeit zum Nachden- len, weil es mir zu persönlich matisiert, Sie könnten zur zur neunten Klasse, und damals
ken. Ich fand es auch sehr berüh- wäre. Nur so viel: Die Vorstel- Nachahmung anregen? dachte ich, man wäre selbst ver-
rend, denn das Thema der Serie, lung, mit dem Bewusstsein von Katja Riemann: Die Beratung antwortlich dafür, wenn andere
dass eine geliebte Person gestor- heute in die Vergangenheit zu lief so ab, dass wir keine Trig- beschlossen haben, einen zu
ben ist und man sie im Nachhin- reisen, fände ich schon reizvoll. ger-Punkte liefern wollten. Es quälen. Mobbing gab es damals
ein retten möchte - es hat bei fast Mein Umgang mit bestimmten ging zum Beispiel um die For- logischerweise nur in der analo-
allen etwas ausgelöst. Irgendje- Situationen wäre anders. Ich mulierung der Abschiedsbot- gen Welt. Mittlerweile existieren
mand am Set hat immer geweint. könnte vieles besser einschät- schaft. Da meinte die Psycho- so viele Multiplikationsmöglich-